Die sprechenden Steine von Uppsala

Um die Wikinger ranken sich viele Mythen. Runensteine sind eine der wenigen Originalquellen, die über das Leben der Nordmänner berichten. Aus dem Runen-Alphabet der Wikinger entwickelte sich jedoch nie eine Gebrauchssprache. Dennoch erzählen einige Runensteine von menschlichen Schicksalen und Abenteuern. In Uppsala, rund 80 Kilometer nördlich von Stockholm in der Provinz Uppland, gibt es besonders viele dieser sprechenden Steine. Man trug sie aus dem ganzen Land zusammen und stellte sie in Uppsala, der ältesten Universitätstadt Skandinaviens auf. Heute stehen einige von ihnen im Universitätspark, nur wenige Meter vom Dom entfernt. Die besten Geschichten rund um die Runensteine erfahren wir bei einer Stadtführung.

Blick aus dem Universitätspark Uppsala auf Gustavianum mit neuer Kuppel und die Domspitzen / © Foto: Georg Berg
Blick aus dem Universitätspark Uppsala auf Gustavianum mit neuer Kuppel und die Domspitzen / © Foto: Georg Berg

Tragödien und Schicksale am Wegesrand

Runensteine wurden oft von Familien zum Gedenken an Verstorbene errichtet. Die Inschriften nennen den Namen und erzählen von den Taten der Verstorbenen oder beschreiben ihr Erbe, ihre unternommenen Reisen oder ihren sagenhaften Mut. Runensteine waren kostspielig und wurden meist von Männern, manchmal aber auch von Frauen, bei Runenmeistern in Auftrag gegeben. Bei allem Aufwand und den Kosten für einen Runenstein war auch der Standort entscheidend. Der Runenstein sollte sichtbar an einer Straße, einer Wegkreuzung oder an einem Wasserweg stehen, wo viele Menschen vorbeikamen.

Runenstein im Universitätspark von Uppsala. Hier stehen insgesamt 16 original Runensteine aus der Wikingerzeit. Darunter besondere Exemplare wie dieser Stein, der davon berichtet, das Güllög zum Gedenken für ihre verstorbene Tochter eine Brücke bauen lies. Runensteine waren teuer und wurden meist für Männer errichtet / © Foto: Georg Berg
Runenstein U 489 im Universitätspark von Uppsala. Hier stehen insgesamt 16 Runensteine aus der Wikingerzeit / © Foto: Georg Berg

Rune kommt von Raunen

Die meisten Runensteine folgen einem festen Aufbau. Wer den Stein bei wem in Auftrag gegeben hat, sollte ebenso klar werden, wie die verstorbene Person, an die erinnert wird. Manchmal verrieten die Inschriften auch mehr. Da passt es gut, dass das Wort „Rune“ im Althochdeutschen „runa“ Geheimnis oder Geflüster bedeutet und im deutschen Verb „raunen“ erhalten geblieben ist. Ein besonders schöner Runenstein ist Gillög, der Tochter von Güllog gewidmet. Die Mutter ließ für ihre Tochter eine Brücke bauen und gab den Stein bei Runenmeister Öpir in Auftrag. Der Runenstein für Gillög trägt sowohl das heidnische Symbol der Schlange in Form einer Acht als auch ein christliches Stabkreuz. Schweden erlebte im 11. Jahrhundert die Blütezeit der Runensteine. Damals entstanden die meisten der über 2.800 bekannten Inschriften des Landes. Es war aber zugleich der Beginn der Christianisierung und immer mehr Menschen wechselten vom alten nordischen Glauben zum Christentum. Das isländische Alphabet bewahrt ein Erbe aus der Zeit, als lateinische und runische Schrift nebeneinander existierten. Es enthält bis heute ein Zeichen, das einst eine Rune war: Þ (thorn) und steht für den stimmlosen th-Laut wie im englischen Wort „thing“. Ein Thing oder ein Thingplatz ist die germanische Bezeichnung für eine Volksversammlung oder einen Gerichtsplatz, wie es sie in vielen nordischen Ländern, darunter auch in Gamla Uppsala, gegeben hat.

Schautafel mit drei Beispielen für Runensteine im Gamla Uppsala Museum / © Foto: Georg Berg
Schautafel mit drei Beispielen für Runensteine im Gamla Uppsala Museum / © Foto: Georg Berg

Unterhaltsame Runensteine

An den großen Steinen mit meist rot gefärbten Inschriften könnte man achtlos vorbeigehen. Doch entschlüsselt und in unsere lateinschen Schriftzeichen übersetzt, bergen sie Witz und Unterhaltung. Der Stein von Vigborg mit der Nummer 1011 ist unter den Runenschriften im kleinen Universitätspark von Uppsala der Superstar. Seine Geschichte nahm Jahrhunderte nach dem Tod des eingebildeten Vigborgs verrückte Wendungen. Vigborg war ein Wikinger mit eigenem Schiff und so auf sein Ansehen bedacht, dass er diesen Stein zu Lebzeiten zur Erinnerung an sich sich selbst fertigte. Er lobt sich für seine Geschicklichkeit und bittet Gott um Hilfe für seine Kapitänsseele. Ob Vigborgs Seele Hilfe erfuhr, wissen wir nicht, aber der alte Wikinger dürfte mit seiner anhaltenden Berühmtheit sehr zufrieden sein. Mehr als 1.000 Jahre nachdem er den Stein ritze, steigt sein Ruhm mit jeder weiteren Erwähnung im Internet. Und das liegt auch an der Reise, die Vigborgs Runenstein nach seinem Tod unternahm. Gefunden in Örby brachten ihn Wissenschaftler im 17. Jahrhundert nach Uppsala, stellten in erst im Schlosspark und später vor dem Museum für Nordische Kunstwerke auf. Im 19. Jahrhundert präsentierte man Vigborgs Stein sogar einem internationalen Publikum und zeigte ihn 1867 zusammen mit dem Stein von Güllog auf der Weltausstellung in Paris. Während der Stein von Güllög ein Jahr später unbeschadet nach Schweden zurückkehrte, fiel Vigborg’s Runenstein in Le Havre beim Umladen in das Hafenbecken. Es dauerte beinahe 30 Jahre bis man ihn zufällig im Schlamm der Hafenmündung fand und den Schweden zurückgeben konnte. Seitdem steht Vigborg der Eingebildete wieder in Uppsala.

Runenstein im Museum von Gamla Uppsala. Die Inschriften und Symbole waren farbig gestaltet. Der Standort war wichtig. Der Runenstein sollte sichtbar sein und an einer Straße oder einem Wasserweg aufgestellt werden, an dem viele Menschen vorbeikommen / © Foto: Georg Berg
Runenstein im Museum von Gamla Uppsala. Die Inschriften und Symbole waren farbig gestaltet. Der Standort war wichtig. Ein Runenstein sollte sichtbar sein und an einer Straße oder einem Wasserweg aufgestellt werden, an dem viele Menschen vorbeikommen / © Foto: Georg Berg

Runen-Führung zwischen Dom und Uni

Im Universitätspark von Uppsala stehen zahlreiche original Runensteine. Stadtführerin Katja Jahn erklärt, dass Runensteine zum Gedenken an jemanden von dessen Familie aufgestellt wurden. Die Inschrift nennt den Namen und die Taten des Verstorbenen sowie den Namen des Auftraggebers und des Handwerkers, der den Stein bearbeitet hat / © Foto: Georg Berg
Katja Jahn an einem Runenstein © Foto: Georg Berg

Im Universitätspark von Uppsala stehen zahlreiche originale Runensteine. Archäologin Katja Jahn erzählt auf einer unterhaltsamen Stadtführung die Geschichten der Steine und macht auf Symbole und Besonderheiten der steinernen Inschriften aufmerksam.

Treffpunkt der Führungen ist passenderweise vor der Kathedrale. Der Dom zu Uppsala steht wie kein weiteres Gebäude in ganz Schweden für die Christianisierung des Landes. Doch die Schweden haben es verstanden, die Geschichte des alten nordischen Glaubens und die Ära der Wikinger als Kulturgut zu bewahren. Wikingerglaube und Christentum begegnen sich nicht nur auf Runensteinen, sondern auch im heutigen Stadtbild von Uppsala. So kreuzt direkt auf Höhe der Kathedrale die Bischofsstraße den Odinslund.

Unbedingt empfehlenswert ist auch ein Besuch von Gamla Uppsala. So heißt der Ort, der seinen Namen an das heutige Uppsala abgeben musste und bis heute eine große Bedeutung in der Geschichte Schwedens hat. Bis ins 13. Jahrhundert war das heutige Uppsala noch ein kleines Dorf und hieß Östra Aros. Als aber die große Kathedrale in Östra Aros gebaut werden sollte, musste auf Befehl des Papstes der Name Uppsala zusammen mit dem Bischofssitz umziehen. Aus dem früheren Uppsala wurde Gamla Uppsala. Hier geht es zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Uppsala und Gamla Uppsala.

Die Recherche wurde von Destination Uppsala unterstützt

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