Potsdam und die deutsche Traumfabrik

Es ist eine große Scheinwelt voller Geschichte und Geschichten. Die Medienstadt Babelsberg ist die deutsche Traumfabrik und seit 2023 arbeitet die Stadt Potsdam an einem Pendant zum Walk of Fame in Los Angeles. Auf dem Boulevard des Films in der Brandenburger Straße zwischen der St. Peter und Paul Kirche und dem Brandenburger Tor sollen einmal 55 Filme verewigt werden, die in Potsdam produziert wurden. Angefangen vom deutschen Stummfilm Der Totentanz mit Asta Nielsen (1911) über Metropolis von Regisseur Fritz Lang (1926), Die Feuerzangenbowle mit Heinz Rühmann (1945), Die Mörder sind unter uns (1946) mit Hildegard Knef, über Die Spur der Steine mit Manfred Krug (1966), die Märchenfilme der 1970er Jahre, den Blockbuster von Quentin Tarentino Inglorious Bastards (2009) bis zu der Kultserie Babylon Berlin (2017). Seit Oktober 2019 ist Potsdam auch Unesco Creative City of Film und das liegt vor allem an den vielen großen Akteuren, die sich in Potsdam und im Stadtteil Babelsberg angesiedelt haben. In Potsdam-Babelsberg wird seit 1912 gedreht. Aus der Deutschen Bioscop wurde das Studio Babelsberg. 2024 änderten sich die Eigentumsverhältnisse und das Studio gehört seitdem einem US-amerikanischen Immobilieninvestor.

Das Branderburger Tor auf dem Luisenplatz in Potsdam wurde 1770 erbaut und ist somit 20 Jahre älter als das berühmte Wahrzeichen aus Berlin / © Foto: Georg Berg
Das Branderburger Tor auf dem Luisenplatz in Potsdam wurde 1770 erbaut und ist somit 20 Jahre älter als das berühmte Wahrzeichen aus Berlin / © Foto: Georg Berg

Studio Babelsberg

Das älteste Großatelier-Filmstudio der Welt steht nicht etwa in Hollywood, sondern in Potsdam-Babelsberg. Bis heute hält Babelsberg Rekorde der Kinogeschichte. Ein Beispiel dafür ist die Halle 20, weltweit bekannt als Rainbow Stage, die mit 7.200 Quadratmetern doppelt so groß ist wie die größte Produktionshalle in Hollywood. Hier wurden Filme wie Operation Walküre mit Tom Cruise, Monuments Man mit George Clooney oder Matrix 4 mit Keanu Reeves gedreht.

Studio Babelsberg hat seinem größten Filmstudio, die Halle 20,  zu Ehren der Filmemacherinnen Lana und Lilly Wachowski  den Namen „Rainbow Stage“ gegeben. Damit setzt Studio Babelsberg ein Zeichen für Toleranz, Respekt und Vielfalt. Das großflächige Kunstwerk in Regenbogenfarben an der Fassade wurde unter der Kuration der US-amerikanischen Künstlerin Alexandra Grant gestaltet / © Foto: Georg Berg
Studio Babelsberg hat seinem größten Filmstudio zu Ehren der Filmemacherinnen Lana und Lilly Wachowski 2021 den Namen „Rainbow Stage“ gegeben / © Foto: Georg Berg
Am Medienstandort Potsdam finden häufig Dreharbeiten statt. Hier dreht eine Produktionsfirma im Hinterhof eines historischen Hauses / © Foto: Georg Berg
Am Medienstandort Potsdam finden häufig Dreharbeiten statt. Hier dreht eine Produktionsfirma im Hinterhof eines historischen Hauses / © Foto: Georg Berg

Nichts ist wie es scheint

Leider ist die Scheinwelt im Alltag kaum sichtbar. Öffentliche Führungen durch die Medienstadt Babelsberg beschränken sich auf einen Spaziergang entlang der Straßen. Ein Rundgang durch die Requisitenhalle mit Millionen von Ausstattungsstücken aus verschiedenen Epochen ist nicht möglich. Noch fantastischer wäre es, eine Nacht im Kostümfundus zu verbringen. Stellt euch das vor: Eine Gruppe von besten Freundinnen, ein großer Spiegel und mehr als 500.000 Kostüme und Accessoires aus 100 Jahren Filmgeschichte. Das wäre ein Traum! Die Filmbranche ist jedoch äußerst diskret und möchte in Ruhe arbeiten. Neue Produktionen werden oft erst angekündigt, wenn der Dreh fast abgeschlossen ist. Als Filmfan bleibt da nur die Rolle als Zaungast.

Führung durch die Medienstadt Babelsberg. Die Villa Baujahr 1905 war einst ein Waldsanatorium für nervöse und erholungsbedürftige Herren. Heute ist hier das ZDF Landesstudio Brandenburg untergebracht / © Foto: Georg Berg
Führung durch die Medienstadt Babelsberg. Die Villa Baujahr 1905 war einst ein Waldsanatorium für nervöse und erholungsbedürftige Herren. Heute ist hier das ZDF Landesstudio Brandenburg untergebracht / © Foto: Georg Berg

Hinter den Kulissen

Die Marlene-Dietrich-Halle, die 1926 für die Großfilmproduktion Metropolis gebaut wurde, ist bei einer Führung nur von außen zu sehen. Auch das Studiogelände für Außenaufnahmen zeigt uns lediglich sein Backstage-Gesicht. Doch statt einer geheimnisvollen Welt, sehen wir nur eine Wand aus Holzverkleidungen und Stahlstützen. Dahinter verbirgt sich ein Miniatur-Berlin, in dem fast jede Außenszene der Fernsehserie Babylon Berlin gedreht wurde. Ein geheimer Gang im Stil der Berliner Hinterhöfe führt vom wohlhabenden Charlottenburg direkt ins arme Wedding. Es gibt auch das mittelständische Kreuzberg und mit der Berliner Straße eine moderne Innenstadt. Diese Scheinwelt aus 54 Hausfassaden und über 8.000 Quadratmeter Fassadenfläche lässt sich in jede Metropole der Welt verwandeln. Sogar die Straßenszene aus Matrix 4 beginnt genau hier, hinter massiven eingeputzen Holzkonstruktionen, die von 500 Tonnen Stahl gestützt werden.

Haupteingang Studio Babelsberg. Das Logo zeigt die berühmte Maria-Figur aus dem Film Metropolis von Fritz Lang / © Foto: Georg Berg
Haupteingang Studio Babelsberg. Das Logo zeigt die berühmte Maria-Figur aus dem Film Metropolis von Fritz Lang / © Foto: Georg Berg

Die digitale Erweiterung

Zu den Kulissen hat sich längst die Künstliche Intelligenz gesellt. Heutzutage können 3D-Drucker Statuen herstellen und Säulen für Historienfilme fräsen, was den Kulissenmalern und Kunstbauern viel Arbeit abnimmt. Die UFA, Deutschlands größter Medienproduzent mit Sitz in Babelsberg, hat seit 2018 ein volumetrisches Filmstudio. Hier werden Schauspieler mit Hilfe von 32 Kameras von allen Seiten dreidimensional gefilmt, um ihre echten Bewegungen und Emotionen einzufangen. Diese Aufnahmen ermöglichen es, die Schauspieler an jeden beliebigen Ort im Film einzusetzen. Das volumetrische Studio ist einzigartig auf der Welt. Für diese Technik kommt Hollywood nach Babelsberg. So arbeitet Babelsberg weiterhin an seinem Mythos, der 1911 in einem kleinen Glasatelier begann.

Vom Filmverbot zur Traumfabrik

Erstes Filmnstudio, damals Deutsche Bioscop. Die Fabrikhalle war 1890 für die Herstellung von Kunstblumen gebaut worden. 1912 wurde hier in einem angebauten Glasatelier der erste Film gedreht. Totentanz mit Asta NIelsen in der Hauptrolle / © Foto: Georg Berg
Erstes Filmstudio, damals Deutsche Bioscop. Die Fabrikhalle war 1890 für die Herstellung von Kunstblumen gebaut worden. 1912 wurde hier in einem angebauten Glasatelier der erste Film gedreht / © Foto: Georg Berg

In den Anfängen des Kinos wurde hochentzündlicher Nitrofilm verwendet. Um 1900 fanden Dreharbeiten in Berlin oft in Dachgeschosswohnungen statt. Wenn ein Film Feuer fing, breitete sich das schnell auf den gesamten Dachstuhl aus. Das wurde den Berliner Behörden im wahrsten Sinne des Wortes zu heiß und sie erließen ein Verbot für Filmarbeiten in der Stadt. Filmemacher mussten nach Alternativen im Umland suchen. Eine leerstehende Fabrikhalle wurde zum neuen Drehort. An der Stelle, wo heute ein schlichter Ziegelbau an die alte Halle anschließt, befand sich 1912 ein Glasatelier. Der erste in Potsdam-Babelsberg gedrehte Film war Totentanz mit der schwedischen Schauspielerin Asta Nielsen in der Hauptrolle.

Filmmuseum Potsdam

Dauerausstellung im Filmmuseum Potsdam. Im Zentrum der Sammlungen stehen das älteste Filmstudio der Welt in Babelsberg, seine Filmproduktionen und die Künstler, die dort an Filmen von Bioscop, Ufa, DEFA und Studio Babelsberg mitwirkten / © Foto: Georg Berg
Dauerausstellung im Filmmuseum Potsdam. Im Zentrum der Sammlungen stehen das älteste Filmstudio der Welt in Babelsberg, seine Filmproduktionen und die Künstler, die dort an Filmen von Bioscop, Ufa, DEFA und Studio Babelsberg mitwirkten / © Foto: Georg Berg

Im Zentrum der Dauerausstellung im Filmmuseum Potsdam stehen das älteste Filmstudio der Welt in Babelsberg, seine Filmproduktionen und die Künstler, die dort an Filmen von Bioscop, Ufa, DEFA und Studio Babelsberg mitwirkten. Man erfährt etwas über das Schreiben von Drehbüchern bis zu Details aus berühmten Filmen. Für Metropolis, den ersten Science-Fiction-Langfilm der Filmgeschichte wurde 1926 ein neues Großatelier gebaut, die heutige Marlene-Dietrich-Halle. Die Dreharbeiten dauerten zwei Jahre und verschlangen fünf Millionen Reichsmark. Bei Kritikern und beim Publikum fiel der Film durch, doch heute gehört das monumentale Werk zum UNESCO-Weltdokumentenerbe und der Maschinenmensch Maria ist das Symbol von Studio Babelsberg. Auf Metropolis folgte 1929 die Frau im Mond. Für den Start der Rakete erfand Regisseur Fritz Lang den Coundown. Im selben Jahr kam der Tonfilm nach Babelsberg und Marlene Dietrich spielte sich in Der blaue Engel zum Weltstar.

Rarität im Filmmuseum Potsdam. Ein Bioscop der Brüder Max und Emil Skladanowsky. Sie waren Wegbereiter des Films und entwickelten das Bioscop, mit dem sie am 1. November 1895 erstmals kurze Filmsequenzen vor einem zahlenden Publikum projizierten / © Foto: Georg Berg
Rarität im Filmmuseum Potsdam. Ein Bioscop der Brüder Max und Emil Skladanowsky. Sie waren Wegbereiter des Films und entwickelten das Bioscop, mit dem sie am 1. November 1895 erstmals kurze Filmsequenzen vor einem zahlenden Publikum projizierten / © Foto: Georg Berg

The Sound of Silence – Die Kinoorgel und der Stummfilm

Es ist nicht sehr überraschend, dass das Filmmuseum Potsdam ein eigenes Kino besitzt. Doch im Kino des Museums befindet sich unauffällig am Bühnenrand rechts ein bemerkenswertes Instrument: die Welte-Kinoorgel. Diese Orgel erzeugt bei Stummfilmvorführungen Geräusch- und Instrumentimitationen. Sie kann bis zu 30 verschiedene Instrumente nachahmen und Klänge wie Donner, Regen, Sturm und Glockengeläut erzeugen. Außerdem gibt es Tasten für Vogelgesang I und Vogelgesang II oder eine durchdringende Schiffssirene.

Das Filmmuseum Potsdam betreibt ein Kino mit mehreren Vorstellungen täglich. Stummfilmvorführungen werden mit Geräuschen und musikalisch an der historischen Welte-Kinoorgel begleitet / © Foto: Georg Berg
Das Filmmuseum Potsdam betreibt ein Kino mit mehreren Vorstellungen täglich. Stummfilmvorführungen werden mit Geräuschen und musikalisch an der historischen Welte-Kinoorgel begleitet / © Foto: Georg Berg

Seit ihrer Instandsetzung im Jahr 1993 wird die Kinoorgel wieder zur Begleitung von Stummfilmen genutzt. Die 1929 gebaute Orgel stammt aus dem Luxor-Kinopalast Chemnitz und es gibt weltweit nur noch vier Exemplare. Die Kinoorgel ersetzte das Kinoorchester zur Begleitung von Stummfilmen, bis die Tonfilmumstellung wiederum die Orgel überflüssig machte. Einmal im Monat sorgt die Welte-Kinoorgel für eine beeindruckende Klangkulisse, bei der manche Vibrationen über den Fußboden auch die Zuschauer erreichen. Diese Stummfilmvorführungen mit Live-Musik bieten ein unmittelbares Kinoerlebnis, das mit aufgenommener Filmmusik kaum erreicht werden kann. 

Tastatur der historischen Welte-Kinoorgel. Sie kann bis zu 30 Instrumente imitieren, Geräusche wie Donner, Glocken, Regen oder Sturm erzeugen. Weltweit gibt es nur noch vier Exemplare / © Foto: Georg Berg
Tastatur der historischen Welte-Kinoorgel. Weltweit gibt es nur noch vier Exemplare / © Foto: Georg Berg
Blick hinter die Kulissen der Welte Kinoorgel. Alle Klänge und Geräusche werden mit Druckluft erzeugt / © Foto: Georg Berg
Blick hinter die Kulissen der Welte Kinoorgel. Alle Klänge und Geräusche werden mit Druckluft erzeugt / © Foto: Georg Berg

Filmtipps für Potsdam

  • Im Vorfeld checken, ob zum Reisetermin eine Stummfilmvorführung mit Musik von der Welte-Kinoorgel stattfindet und Ticket sichern
  • Spaziergang über die Brandenburger Straße und nachschauen, wie viele Filme schon im neuen Boulevard des Films verewigt sind
  • Die Dauerausstellung im Filmmuseum Potsdam besuchen
  • Stadtführung durch das Villenkolonie Neu-Babelsberg: Filmstars, Villen, Weltgeschichte
  • Hinter dem Filmmuseum nachschauen, ob das Sandmännchen noch da ist!
Das Sandmännchen und die Filmklappe auf der Rückseite des Filmmuseums Potsdam / © Foto: Georg Berg
Das Sandmännchen und die Filmklappe auf der Rückseite des Filmmuseums Potsdam / © Foto: Georg Berg

Die Recherche wurde unterstützt von der PMSG Potsdam Marketing und Service GmbH

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